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Ära des Zwists, Teil II
Datum: 13.06.2013
Hass und Abscheu trieben ihn an. Die Furinax hatten versucht, es ihnen zu erklären. Sie hatten versucht, den Shelak klarzumachen, dass die Großen Betrüger es nicht wert waren, verehrt zu werden. Und es gab Gerüchte, dass die Wanderer von Afar es nicht gut mit den Protoss meinten, wenn auch die Einzelheiten im Wind der Zeit verweht waren, der auch nach den Steinen griff. Veskaar liebte die Großen Betrüger – er hasste sie -, er tobte und wimmerte. Wie die Wahrheit auch aussehen mochte, eines wusste er sicher: Die Shelak waren Narren ob ihrer verblendeten Vergötterung. Veskaar ballte die Fäuste, als seine Haut die Witterung von zwei Shelak aufnahm, die sich zu weit aus der Sicherheit des Dorfes entfernt hatten. Er schirmte seine Gedanken vor ihnen ab und begann sich an sie heranzupirschen.
Die Frage ist... was können wir von ihnen lernen? Und was werden wir mit diesem Wissen anfangen?", fragte Savassan. Temlaa wusste, dass er keine Antwort erwartete. "Unsere Zahl nimmt ab", hatte Telkar gesagt. "All die anderen Stämme haben es auf uns abgesehen. Wir brauchen eine Möglichkeit, uns zu verteidigen, Savassan. Und wenn diese Kristalle uns eine solche Möglichkeit bieten, dann müssen wir sie nutze." "Lasst uns noch etwas mehr Zeit", hatte Savassan gebeten. "Wir sind die Hüter der Relikte. Wir müssen lernen, sie zu verstehen." Sie hatten ihr Tempo beschleunigt. Sowohl Temlaa als auch Savassan hatten inzwischen hinreichend Kontakt gehabt, um die Kristalle berühren zu können – Savassan hatte ihnen den Namen "Khaydarin" gegeben, der so viel wie "Fokusse des Herzens" bedeutete -, ohne von den daraus folgenden Empfindungen überwältigt zu werden. Es gelang ihnen zunehmend besser, ihre Emotionen auch dann zu teilen, wenn sie die Kristalle nicht anfassten., sondern sich nur in ihrer unmittelbaren Nähe aufhielten. Ausserdem standen sie, wie Savassan es erwartet hatte, zunehmend mehr in Einklang mit den Relikten. Sie enthielten tatsächlich Geschichten. Sie begannen zu verstehen, was einige der Symbole auf den Artefakten bedeuteten. Es gelang ihnen, Verbindungen herzustellen, die es ihnen ermöglichten, auch andere Geschichten zu begreifen und so noch mehr herauszufinden. "Hier ist noch mehr... sehr viel mehr", sagte er einmal zu Temlaa. "Und uns geht die Zeit aus, alles zu begreifen. Es erstaunt mich, wie dumm wir waren. Wie weit uns die Ihan-rii voraus waren." Er spürte auch Savassans Frustration. Die Kwah-kai, kleine Primaten, die im Blätterdach hausten, waren unter den Shelak für ihre Neugier bekannt. Oft wurden sie für warnende Geschichten darüber herangezogen, was mit jungen Shelak geschehen würde, wenn sie zu naseweis waren. Die beiden Protoss teilten das warme Gefühl von Belustigung. Doch Temlaa war sicher, dass das, was auf die Entdeckung durch sie wartete sehr viel folgenschwerere Auswirkungen haben würde als alles, was je in einer Geschichte um Kleine Hand geschehen war. Temlaa schlief tief, und er wusste, dass er schlief, und er hielt sich verzweifelt an diesem Wissen fest, denn dies war der schlimmste Albtraum, der ihn je heimgesucht hatte. Natürlich war er schon in Höhlen gewesen, er hatte sogar schon in der Höhle der Relikte geschlafen, in die die Shelak sämtliche Artefakte der Ihan-rii geschafft hatten. Aber die Höhle in seinem Traum war ganz anders. Noch nie war er so tief unter der Oberfläche von Aiur gewesen – so weit entfernt von dem lebensspendenden Licht, das alle Protoss brauchten. Die Dunkelheit war kühl und hüllte ihn ein, aber irgendwie fühlte Temlaa sich ganz und gar nicht behaglich. Dies war nicht die Dunkelheit, die er gewohnt war, nicht die Dunkelheit der Nacht, in der Mond und Sterne über ihm waren und das Rascheln des Windes und die vertrauten Geräusche der Nachttiere ihn umgaben. Dies war eine Dunkelheit, die mehr verhüllte als beschützte. Er wusste nicht, woher er das wusste, aber er wusste es. Gegenstände begannen im Dunkeln vor seinen Augen zu entstehen, Bilder bestimmter Artefakte. Eines war davon der Obelisk. Nur war er im Traum nicht zerbrochen, nicht beschädigt, sondern völlig intakt. Das war es, was er wachen Auges gesehen, bei bewusstem Denken analysiert hatte. Der Obelisk ragte in die Höhe. Die flache schwarze Oberfläche wimmelte von Schriftzeichen, die Temlaa so gerne gelesen hätte, dass es wehtat...
Er hob es an und sah die Symbole so deutlich, als seien sie noch ganz frisch. Der Zahn der Zeit hatte nicht daran genagt, andere wütende Protoss-Stämme hatten es nicht verunstaltet, es wies weder irgendwelche Flecken noch Schäden auf. Temlaa's Blick tastete es ab, und er verstand, er... Temlaa schreckte um sich schlagend aus dem Schlaf auf. Das einzige Licht stammte von den leuchtenden Kristallen. Savassan wachte sofort auf, er hatte den erregten Ausbruch in Temlaa's Geist gespürt. "Ich brauche Werkzeug zum Schreiben!" Nach kurzer Suche entdeckte Temlaa das Objekt, das er brauchte. Nun begann er das, was er hier davon sehen konnte, auf das Pergament zu übertragen. Als er damit fertig war, schloss er die Augen. Abermals sah er die Tafel im Ganzen und frisch beschriftet, und als er die Augen wieder aufschlug, zeichnete er systematisch auf, was er gesehen hatte. Er versuchte nicht, die Symbole zu übersetzen, noch nicht – er wollte sie nur festhaltn, bevor der Traum so weit verblasst war, dass ihm diese Eindrücke wieder abhanden kamen. "Das alles hast du in deinem Traum gesehen?", fragte Savassan, den Blick gespannt auf das gerichtet, was Temlaa niederschrieb. "Ja, diese Tafel und viele andere Dinge." "Das halte ich für wahrscheinlich. Aber die Beschreibung ist noch unvollständig. Wir müssen mehr in Erfahrung bringen." Nun, da Temlaa herausgefunden hatte, dass er die Artefakte in seinen Träumen berühren konnte, waren sowohl er als auch Savassan in der Lage, ihre Träume zu lenken. Sie erwachten und zeichneten alles auf, was sie gesehen hatten. Einmal, als Savassan die Symbole durchging, wurde er plötzlich blass und musste sich zitternd hinsetzen. Temlaa brauchte nicht einmal zu fragen, was los sei. Denn die Antwort strahlte klar und deutlich von Savassan aus: "Das sind Anweisungen." "Anweisungen wofür?" "Das weiß ich nicht. Aber der Gedanke lässt mir das Herz schwellen." Sie machten sich auf und folgten dabei den Wegbeschreibungen, die Temlaa im Traum gekommen waren. Sie brauchten zwei Tage, aber schließlich fanden sie die Stelle, die sie suchten. Enttäuschung stieg in Temlaa auf. Es schien, als sei ihr Ziel nicht mehr – und nicht weniger – als eine große Ansammlung von Khaydarin-Kristallen, die wie Speere aus dem flachen Boden aufragten. Die Gegend war steinig und unfruchtbar, und so war es kein Wunder, dass sie solange unberührt und, glücklicherweise, unversehrt geblieben war. Temlaa sagte zögerlich: "Sie sind wunderschön... aber ich dachte, wir würden dein Eingang zu einer weiteren Höhle finden." Savassans geistige Stimme klang resigniert und dennoch hoffnungsvoll. "Lass uns diese Kristalle berühren und sehen, was sie uns zu erzählen haben." Die beiden Protoss streckten die Arme aus und legten voller Respekt ihre purpurnen Hände auf die flache, kühle Oberfläche der Kristalle. Fast augenblicklich kamen ihnen Informationen zu. Bruchstückhaft, schwer zu verstehen, aber nichtsdestotrotz Informationen. Temlaa ließ einen Kristall los und legte seine Hand auf einen anderen. Weitere, neue Informationen füllten seinen Geist. Sein Kopf begann zu schmerzen. "Wir müssen sie in einer bestimmten Reihenfolge berühren", sagte Savassan und legte damit das letzte Steinchen des rätselhaften Mosaiks an seinen Platz. "Aber... wie sieht diese Reihenfolge aus?" Temlaa wirkte ärgerlich. Hier gab es buchstäblich Hunderte von Kristallen. Welche davon waren wichtig? Und wie sollten sie das unterscheiden können? Temlaa blickte seinen Mentor an, dann schaute er auf seine Hände hinab. Er sah die Finger lang und zierlich auf dem Kristall ruhen. Es war, als betrachte er sie zum ersten Mal. Die Nägel, die Gelenke, ihre Gliederung. Drei Knochen in jedem Finger, von denen jeder auf eine bestimmte Weise mit einem anderen verbunden war. |
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